- Fischer (2012)
- Übersetzung: Christine Blum
- 608 Seiten
Im sechsten Band der „House of Night“-Reihe kommt eine neue Änderung hinzu. Der Leser bekommt nicht nur die Perspektive von Zoey mit (die mit ihren Gedankengängen bisher nicht gerade Sympathiepunkte sammeln konnte), sondern auch von einigen anderen. Alle paar Kapitel wechselt jetzt die Perspektive – Zoey bleibt jedoch die einzige, deren Sicht wir aus der Ich-Perspektive erfahren. Sowas kann durchaus sinnvoll sein, um auch mal andere Charaktere zu Wort kommen zu lassen und man könnte meinen, dass einem Buch, das zu sehr auf die Hauptperson fixiert ist eine solche Änderung durchaus zuträglich sein könnte. Allerdings verschieben sich viele Probleme, die vorher Zoey hatte nun auf Stevie Rae (Lügen, dumme Entscheidungen, Liebesmist). Die Perspektivwechsel sind anstrengend und nur bedingt gelungen. Stevie Rae ist, wie bereits angedeutet, in diesem Band ein wichtiger Charakter und hat Geheimnisse vor dem Rest der Gruppe. Was das für ein Geheimnis ist, wird auch prompt verraten, da nun aus ihrer Sicht berichtet wird. Spannung kommt dementsprechend eher weniger auf. Aber wenigstens erfahren wir nun, dass nicht nur Zoey blöde Entscheidungen treffen kann. Und nicht nur das: auch Stevie Rae bekommt ein Liebesdreieck (Viereck?). Irgendwie schaffen es die Autorinnen dabei dennoch, Stevie Rae neben Zoey blass aussehen zu lassen.
Eine positive Sache kann man aber auf jeden Fall schonmal vermerken: die ewigen Wiederholungen nehmen endlich ab. Die Story verdichtet sich (wobei mit „verdichtet“ nicht unbedingt gemeint ist, dass wir zum Kern der Sache vordringen, sondern dass grundsätzlich mehr Neues passiert. Das schließt Zoeys nervige Beziehungsprobleme leider mit ein). Und damit ist gleich ein nahtloser Übergang zum Negativen gefunden: auch in „Versucht“ bekommt der leidige Leser keine Ruhe vor Zoeys gnadenloser Männerflut. Heath und Zoey haben wieder eine Prägung (wodurch Heath nochmal um einiges anstrengender wird als er vorher schon war), Stark ist Zoeys Krieger (und dadurch untrennbar mit ihr verbunden) und Erik ist eifersüchtig, weil Zoey mit zwei anderen Männern untrennbar verbunden ist. Witzigerweise wird Erik für seine Eifersucht dämonisiert, ganz so, als wäre es absolut unhaltbar von seiner Freundin zu erwarten, treu zu sein oder wenigstens mit offenen Karten zu spielen – etwas zu dem Zoey offenbar schlichtweg nicht fähig ist. Mag sein, dass Erik leicht besitzergreifend wird, allerdings scheinen alle anderen zu vergessen, dass Erik von Zoey seit Anbeginn nur belogen und betrogen wird. Mit anderen Worten: Zoey benimmt sich unmöglich und keiner nimmt es wahr. Aber es kommt noch „besser“: Kalona ist auch scharf auf Zoey, weil sie die Reinkarnation irgendeiner Cherokee-Magiegestalt ist. Also quasi auch untrennbar mit ihr verbunden. Eine allzu große Reduzierung ihrer Liebschaften ist daher nicht in Sicht.
Der Schreibstil hat sich nicht verändert, aber etwas fällt in diesem Band auf: obwohl die Story, wie oben erwähnt, wesentlich weniger von Wiederholungen unterbrochen wird, ist das Buch um einiges anstrengender zu lesen. Es ist über große Teile hinweg schlichtweg langweilig. Tatsächlich ist dieses Buch das erste, bei dem ich wirklich Schwierigkeiten hatte, weiterzulesen. Die ersten Bücher hatten ihre Fehler, die ich ja auch zur Genüge aufgezählt habe, aber man konnte sie relativ gut hintereinander lesen, ohne dass es anstrengend wurde. Aufgrund der vielen Dinge, die ich für kritikwürdig halte, war ich zwar oftmals genervt, aber niemals habe ich mich so gelangweilt wie bei diesem Band. Ich erinnere mich hierbei an das erste Mal, dass ich die Bände gelesen habe: ich war 13 und habe mich an vielen Dingen, die ich heute scharf kritisiere, nicht gestört. Außerdem war ich definitiv interessiert an dem Ausgang der Geschichte. Aber auch damals musste ich mich ab diesem Band häufig zum Weiterlesen zwingen – also auch, als ich noch zur Zielgruppe gehörte, ist mir der Abfall in der Spannung aufgefallen.
Gegen Ende des Buches wird es wieder ein wenig besser. Allerdings stellt sich hier wieder eine Frage, die schon vorher aufgekommen ist, aber jetzt erst richtig unter den Nägeln brennt. Es gibt den Hohen Rat der Nyx. Die Vampyrinnen, die im Dienst der Nyx stehen und zu den mächtigsten Vertretern ihrer Art gehören. Warum um alles in der Welt hat keine von denen das Unheil kommen sehen? Was genau macht der Rat überhaupt, wenn er nicht in der Lage ist, eine Bedrohung wie Neferet frühzeitig zu erkennen und auszuschalten? Wieso braucht es erst eine Zoey, die Neferet durchschaut? Hat der Hohe Rat überhaupt irgendeine Bindung zu der Göttin, oder ist tatsächlich Zoey die Einzige, die sich mit ihrer Göttin unterhalten kann und von ihr geleitet wird? Vielleicht ergibt das ja für irgendwen anders einen Sinn, aber ich persönlich sehe keinen.
Eine weitere Sache: HoN nimmt es mit der Grammatik nicht so genau – schließlich wird viel Jugendsprache benutzt. Auch habe ich während der Reihe den ein oder anderen Tippfehler gesehen, hielt es jedoch nicht für nötig, das zu erwähnen, da es sich noch in Grenzen hielt. Aber das Deppenapostroph am Ende dieses Bandes verzeihe ich den Verantwortlichen nie.
Noch etwas Positives: Aphrodite ist weiterhin ein guter Charakter, der zum Glück nicht ganz so vernachlässigt wird wie beispielsweise die Zwillinge, Damien und Jack, die immer wieder hinten runterfallen. Sie und Darius sind für mich wesentlich interessanter und sympathischer als Zoey.
Das Buch endet wieder mit einem Cliffhanger. Muss es wohl auch, denn sonst wäre die Motivation, weiterzulesen, sicherlich bei vielen Lesern im Keller. Nach sechs Bänden haben wir gerade mal die Halbzeit dieser viel zu langen Reihe erreicht; für mich war schon nach dem letzten Band die Luft raus.
Fazit: Ein neuer Tiefpunkt ist erreicht. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.