- Bastei Lübbe (2009)
- Übersetzung: Christine Blum
- 464 Seiten
Ich habe es gewagt – ich habe den ersten Band der „House of Night“-Reihe noch einmal gelesen. Beim Lesen des ersten Bandes war ich 12, mitten im Vampirhype (Twilight sei Dank) und in der Zielgruppe. Ich weiß noch, dass mir die ersten Bände damals halbwegs gefallen haben und nun wollte ich prüfen, ob diese Reihe den Zahn der Zeit übersteht. Ergebnis: Nein!
Fangen wir mit dem Positiven an. Die Reihe ist optisch schön gestaltet und macht sich gut im Regal. Und die Idee, das Vampirsetting in ein Internat zu verfrachten, gefällt mir auch jetzt noch. Die Frage, ob das nicht zu sehr nach Harry Potter anmutet, stellt sich hier nicht, da diese Reihen sich qualitativ schlichtweg nicht miteinander messen können. Zudem ähneln sich die Geschichten, abgesehen vom Internatsaspekt, kein bisschen. Mit diesem Vorurteil kann man also aufräumen. Auch mit Twilight kann sich diese Reihe nicht messen. Man mag von Twilight halten, was man möchte, aber „House of Night“ hat dann doch einige Schwächen mehr.
Es beginnt in einer Highschool. Zoey, 16, wird gezeichnet und muss nun in das House of Night (im Folgenden: HoN), um zu einem Geschöpf der Nacht zu werden. Das HoN ist so abgeschottet von der menschlichen Welt, dass Zoey schon befürchtet, ein ungewaschener Gothic werden zu müssen. Fest steht jedenfalls, dass sie ihre Freunde (die angeblich quasi ihre Familie sind, obwohl sie witzigerweise nichts wirklich Positives über sie sagen kann) verlassen muss. Ihre beste Freundin (die viel zu oberflächlich ist und damit eigentlich perfekt zu Zoey passen müsste) „labert“ irgendwelches Zeug, für das Zoey kein Interesse aufbringen kann und kümmert sich wenig um Zoeys Schicksal. Außerdem wird uns hier Heath vorgestellt, Zoeys Freund (Pardon, „fast Freund“), der sie „Baby“ nennt, sich bereits vor Schulschluss betrinkt und der Quarterback des Footballteams ist (was immer das heißen mag, aber in Amerika ist das offensichtlich gleichbedeutend mit „sexy Traumboy“). Heath kann man sich schonmal vormerken, denn er ist einer von Zoeys Liebschaften. Eine konsistente Liebesgeschichte gibt es nicht, Romantik eigentlich auch nicht, vielmehr steigt Zoey mit allem, was als „heiß“ definiert werden könnte ins Bett. Schlampig ist das bei ihr nicht, denn schlampig sind nur die anderen. Mit diesem Leben ist es jedenfalls Essig, Zoey entkommt ihrer Mutter und dem „Stiefpenner“, ein gottesfürchtiger und wenig angenehmer Mann, rennt zu ihrer Cherokee-Großmutter und fährt mit dieser ins HoN, um ihr neues Leben als Zoey Redbird zu beginnen.
Bei genauem Lesen fällt vor allem zu Anfang schon auf, wie vorhersehbar die Geschichte eigentlich ist. Zumindest wird schon recht früh subtil darauf verwiesen, wer hier gut ist und wer nicht. Im HoN lernen wir Zoeys Freundeskreis kennen, der sie im Großen und Ganzen durch die Reihe begleiten wird. Positiv: zu Zoeys engstem Kreis gehören auch Katzen, die eine Affinität zu Vampyren haben. Katzen sind immer gut. Negativ: Zoeys Freundeskreis nervt. Erstmal lernen wir Erik Night kennen, ein „heißer Typ“, der von Aphrodite fast einen Blowjob bekommt (Blowjobs sind NICHT COOL und Aphrodite ist ganz offensichtlich SCHLAMPIG). Erik zeichnet sich durch seine absolute Austauschbarkeit aus – er ist heiß (wobei alle Vampyre gut aussehen, besonders ist das also nicht), viel mehr gibt es über ihn vorerst nicht zu sagen. Dann die halbwegs sympathische Stevie Rae mit anstrengendem Dialekt; die „Zwillings-ABF“ (noch so eine furchtbare Wortschöpfung) Erin und Shaunee, die unglaublich nerven und meistens damit beschäftigt sind mit Neologismen, Markennamen und Vulgärsprache um sich zu werfen; Damien, der zu den wenigen Personen gehört, die ich mag, er ist „superintelligent“ und benutzt „schwierige Wörter“, wobei schwierig ein dehnbarer Begriff ist und nur bedeutet, dass die Zwillings-ABF die Begriffe schwierig finden, wieviel Bedeutung man diesem Urteil zuteilwerden lässt ist wohl jedem selbst überlassen – ich persönlich hatte mehr Probleme mit Zoeys Anspielungen auf amerikanische Popkultur als mit Damiens Fremdwörtern. Außerdem ist er schwul (aber „überhaupt nicht tuntig!!!“, wie in jedem Buch aufs Neue betont wird).
Was noch nervt: Zoey sieht gut aus. Zoey ist auserwählt. Zoey ist in ihrer Entwicklung viel weiter als alle anderen und kaum gezeichnet, lernt sie die Göttin auch schon persönlich kennen. Von allen Kräften, die besagte Göttin ihren Schützlingen verleihen kann, bekommt Zoey natürlich die beste und stärkste Kraft von allen. Zoey ist moralisch erhaben und gegen Drogen und „nuttige“ Aktivitäten. Alle lieben Zoey. Außer vielleicht der Leser, dem bei soviel Perfektion früher oder später der Mageninhalt überlaufen wird. Zoey ist das, was in Fanfiktionkreisen als „Mary Sue“ bezeichnet wird – ein Charakter mit zu wenigen Fehlern, sodass er eigentlich schon dafür prädestiniert ist, unsympathisch zu sein. Die Fehler die Zoey hat, werden von den anderen natürlich nie erkannt. Zoey ist unerträglich oberflächlich und generell keine Person, die ich in meinem Freundeskreis haben wollen würde. Zu allem Überfluss überschattet sie auch alle anderen Charaktere, von denen einige sympathischer und interessanter sind als sie.
Ein weiteres Problem der Reihe ist die Sprache. Das Buch ist sehr umgangssprachlich geschrieben. Einige Kostproben habe ich oben schon geliefert. Das mag für den zwölfjährigen Leser erstmal ansprechend wirken, verliert aber schnell seinen Reiz. Vor allem bei einer Reihe, die sich so lange hinzieht und bei der man, wenn man am Ende angelangt ist, eventuell eben nicht mehr zwölf ist. Sprachlich ist da keinerlei Entwicklung zu erkennen, die Reihe wird in ihrem Verlauf eher schlechter als besser. Das verhindert leider, dass man sich diese Reihe auch später nochmal antun kann. Anglizismen, Neologismen, Slangausdrücke, blöde Abkürzungen – die Reihe ist voll davon.
Noch ein Problem: es passiert zu wenig. Streckenweise passiert nichts Interessantes und alles zieht sich wie Kaugummi. So kann man die Handlung natürlich auf 12 Bücher auswalzen, gut tut es der Story aber nicht. Noch so eine Sache, die im Verlauf der Reihe schlimmer wird, wobei in Teil 1 wenigstens alles nur aus einer Perspektive erzählt wird und nicht mehrere Kapitel aus anderer Sicht wiederholt werden, wie das später der Fall ist. Tatsächlich muss man „Gezeichnet“ lassen, dass es von allen Teilen noch der beste ist. Am Meisten schmerzt daher auch das verschenkte Potential. Immer wieder kommt doch noch Atmosphäre auf, eine gute Idee kommt zum Vorschein, ein Aspekt der Story wirkt tatsächlich interessant… Aber letztendlich schafft das Buch es nicht, ein gewisses Maß an Anspruch und Qualität zu halten, sodass ich als Leser nicht ernsthaft erwägen könnte, 12 Bände seien gerechtfertigt.
Die Frage, die sich vielleicht der ein oder andere stellt: wenn ich das Buch so schlecht finde, warum lese ich es dann noch einmal und mache mir die Mühe, eine endlos lange Rezension zu verfassen? Nun, ich habe in diese Reihe damals viel Zeit und Geld investiert und wenn ich beides schon nicht wiederbekomme, kann ich wenigstens anderen meine Eindrücke liefern. Ich habe die Reihe damals auch beendet, obwohl ich nicht weiß, warum. Masochismus könnte eine Rolle gespielt haben, oder der Ehrgeiz, nicht nach fünf oder sechs Bänden abbrechen zu wollen. Hätte ich damals gewusst, wie diese Reihe sich entwickelt, hätte ich sie jedenfalls niemals angefasst und ich kann aus meiner Perspektive nur sagen, dass ich „House of Night“ keinesfalls weiterempfehle.
Fazit: Wenn diese Reihe nochmal geschrieben werden würde, in einer angemessenen sprachlichen Qualität, einer angemessenen Länge (drei Bände – vier wenn es sein muss – das reicht aus!) und ohne Zoey als unerträglich oberflächliche und vermeintlich perfekte Protagonistin, dann wäre das vielleicht die ein oder andere Lesestunde wert. So aber nicht.